Der Königsritus

Im Königsritus erneuert sich die uralte, archaische Dominanz der „terra mater“. Es gibt sicherlich verschiedene Rituale und einige scheinen schon in verschiedenen Details christianisiert zu sein. So war es, soweit bekannt, nicht üblich, daß der Titel des Clanchefs erbrechtlich weiterging. Diese Variante mag eine durch christlichen Einfluß veränderte Version sein. Obwohl nicht erblich, konnte der Titel des Königs trotzdem an den Sohn übergehen, falls dieser sich unter den Mitbewerbern als der qualifizierteste herausstellte.
In der Überlieferung über die Thuata Dé Danann muß sich der werdende König erst bewähren. Er tut dies, indem er seinen rechten Fuß auf den Schicksalsstein Lia Fail setzt. Wenn dieser anschließend einen Schrei von sich gibt, hat ihn Mutter Erde als König akzeptiert und er wird fortan zum Wohl und Gedeihen seines Volkes regieren. Der Stein Lia Fail hat jedoch neben seineer Symbolik zu Mutter Erde auch noch die Qualitäten, daß er dem Seher in Form von Allegorien und Enigmen die Zukunft zeigen kann. Die Interpretation konnte freilich nur ein geschulter Druide gewährleisten, so daß ergo auch die Zukunft des Königs möglicherweise schon vom Druiden vorausgesagt oder vorausgeahnt werden konnte.
Dieser Königsritus mutet märchenhaft an, und in der Tat gehört er in seiner Schilderung zum ältesten Sagengut der Inselkelten.

Entsprechend den Schilderungen des Kaplans Giraldus Cambrensis, Anfang der 12. Jh. könnte ein in verschiedenen keltischen Regionen, also wahrscheinlich auch in Irland praktizierter Initiationsritus eines Königs in etwa so ausgesehen haben.

Der Stamm tritt vollzählig an um dem Ritus beizuwohnen, da es um sein Schicksal geht und um den Willen der Götter. Im Zentrum des Ritus steht eine weiße Stute, die in vielfacher Variante in der Mythologie der Kelten auftaucht. Einerseits steht sie für den Schimmel der walisischen Rhiannon, (möglicherweise die Tochter des Arawn, einem der Könige der Anderswelt, als sie sich Pwyll offenbarte und ihn als zukünftigen Stammeschef begleitete). Der Schimmel kommt wieder mit der Göttin Epona, die auch als „die Stute“ gesehen wird und die Fruchtbarkeit symbolisiert. Weiterhin und im Zusammenhang mit den beiden Göttinen weist der "helle und blendende" Schimmel auf die Sonne hin, die in ausnahmslos allen archaischen Religionen als Göttin, als „magna mater“ verehrt wird und anfangs eindeutig weiblich war, später dann – u.a. bei den Kelten – sowohl weiblich als auch männlich gesehen wird.
Wenn der Stamm nun vollzählig anwesend ist, wird die Stute in die Mitte der Versammlung geführt. Der angehende König tritt vor und geht auf die Stute zu.
Cambrensis schildert das Ritual dezent: „.....schreitet nach vorn, und ohne Scham, im Anblick aller, gebärdet er sich wie ein Tier“. Der König kopulierte mit der Stute und verband sich durch den sexuellen Akt elementar mit der Mutter Erde. Ein in unseren Augen sicherlich brachiales und möglicherweise verwerfliches Ritual, das aber mit den Augen und in den religiösen Zusammenhängen jener archaischen Zeit gesehen werden muß und durchaus auch dem Traditionen noch anderer Völker entspricht.

Nach dem Ritual wird die Stute getötet, ihr Fleisch gekocht und mit der Brühe dem König ein Bad hergerichtet. Der ganze Stamm ißt von dem Fleisch und der König trinkt von der Brühe, ohne seine Hände dazu zu Hilfe zu nehmen. Danach ist das ganze Ritual vollendet und dem König ist die Herrschaft von der Mutter Erde garantiert. Durch die Präsenz und die aktive Teilnahme am Ritual, verschmelzen Schicksal und Gedeihen des Stammes mit dem des Königs.
Der König hat die Mutter Erde symbolisch in sich aufgenommen. Diese Verbindung ist unumgänglich, da der König und mit ihm sein Druide für das Wohl seines Volkes und seines Landes die Verantwortung tragen, den Pflanzenwuchs, die Fruchtbarkeit des Stammes, seine Gesundheit usw.
Falls der König versagte, wurde er in einem ebenso brachialen Ritus abgesetzt und getötet. Einigen Sagen gemäß wurde er in einem eisernen Käfig oder einer eisernen Tonne bei lebendigem Leibe verbrannt, indem der Käfig oder die Tonne von außen erhitzt wurden und der König so einen qualvollen Tod erlitt.
Diese Strafe geht einher mit den Gesetzen der „terra mater“, die „diejenigen belohnt, die ihre Gesetze beachten und jene bestraft, die sich ihr entgegenstellen oder ihr schaden“.
Es gab noch andere Königsriten, doch in ihrem Wesen unterschieden sie sich nicht sonderlich von dem geschilderten.
Im Zusammenhang mit dem Königsritus, sei noch die Wahl des neuen Königs erwähnt, der - neben einer richtigen Stimmenwahl - noch die druidische Vorhersage vorausging.
In einem Ritual, der als "Bullenschlaf" überliefert wurde, tritt der rangälteste Druide an, um sich an dem Fleisch und der Fleischbrühe eines getöteten Bullen satt zu essen und zu trinken. Alsdann zieht er sich in seine Hütte zurück und schläft. Seine Assistenzdruiden wachen über seinen Schlaf und seine Träume bis er erwacht und er dem Clan dann den von ihm im Traum gesehenen zukünftigen König nennt.

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