Die Phoeniker

Von allen seefahrenden Völkern der Alten Welt gelten die Phoeniker als die tüchtigsten, die wagemutigsten und die gewieftesten. Sie waren sozusagen die "Erfinder" der Kolonialisierung über den Seeweg und zu ihren Zeiten die geschäftigsten Handelsspezialisten im gesamten Mittelmeerraum. Zwar waren sie nicht die ersten, die das mare internum als Transportweg erkannten, aber sie waren es, die als die "seefahrenden Händler" schlechthin in die Geschichte eingingen.


Gemäss den vorliegenden Erkenntnissen und mit archäologischen Funden mehr oder weniger belegt, kamen bei den Jahrtausende währenden Wanderungen der semitischen Volksstämme, einige um 5000-4000 v.u.Z. ins Gebiet des heutigen Libanon und Israel, wo sie sich vorerst niederliessen und als Babylonier, Assyrer, Israeliten, Kanaanäer, Amoriter und Amoniter, Amalekiter und Moabiter u.a. biblische Geschichte machten.
Der zirka 500 Kilometer lange Küstenstreifen der Ostküste des Mittelmeeres wird landeinwärts von einer Gebirgskette vom Hinterland getrennt. Der Küstenstreifen bestand aus gutem Boden, der sich hervorragend für den Ackerbau eigenete. Zudem bot die Landschaft durch ihre Beschaffung schon etliche natürliche Häfen, die entsprechend ausgebaut werden konnten. Die Einwanderer verdrängten die Einheimischen oder vermischten sich mit ihnen.
Sie lebten vom Ackerbau, der Viehzucht und dem Fischfang. Letzteres setz zumindest schon eine, wenn auch bescheidene See- bzw. Küstenfahrt voraus. Sehr früh begannen sie entlang der Küste mit ihren Nachbarstàdten Handel zu betreiben und aus den kleinen Hafensiedlungen entstanden erste Häfen und bald darauf die ersten Städte. Die landschaftliche Beschaffenheit begünstigte die Isolierung und demgemäß blieben die einzelnen Siedlungen getrennt voneinander. Dadurch - so nimmt man an - kam es wahrscheinlich auch nie zu einem kanaanäisch-nationalen Gefüge und der Bildung eines autonomen Staates, sondern vielmehr zu verstreuten Stadtstaaten mit je einem eigenem Herrscher. Diese Stadtstaaten Byblos, Sidon, Tyros und andere standen untereinander eigentlich immer in heftigem aber friedlichen Wettstreit um den Handel im mare internum.
Wie zahlreiche andere Völker oder Volksstämme, die Kelten, die Germanen, die Skythen, die Vandalen und viele andere mehr, erhielten diese nicht als Ethnie geltenden Handelsstadtbewohner ihren Namen von den Griechen: die Phöniker oder die Phönizier. Sie selbst gebrauchten oder kannten diese Namensgebung nicht und nannten sich selbst die Tyrer, Sidoner, Byblier, Karthager, Motyer usw. , werden historisch aber allgemein als Kanaanäer bezeichnet. Ein Land oder ein Königreich Phönizien gab es nie.
Gemäss dem Phönizierforscher Donald Harden taucht das Wort phoinix zuerst bei Homer auf. Dieser bezeichnete damit eine purpurartige braune Farbe. Da die Phöniker durch ihre Kunst der geschickten Stoffärbung und insbesondere für ihre Purpurfärbung schon fast berühmt waren, fällt es leicht Rückschlüsse auf den Ursprung der griechischen Namengebung zu ziehen. Obwohl auch der Name des mythischen Vogeltiers Phönix auf die gleiche griechische Wurzel zurückgeht, besteht kein Zusammenhang mit den Phönikern - es sei denn, man zieht in Betracht, daß durch die jahrhunderte dauernden Ueberfälle u.a. der Assyrer die phönizischen Städte immer wieder dem Boden gleich gemacht wurden, um dann erneut "wie Phönix aus der Asche" wieder aufzuerstehen, bzw. neu aufgebaut wurden.

Während Völker wie die Griechen und Römer, Aegypter, Babylonier und Assyrer nebst vielen anderen mit reichlich Material an sich erinnern, bleiben die Phöniker im Dunkeln und wurden lediglich als die grössten und tüchtigsten Seehändler der Alten Welt bekannt. Wenn üner die Kelten nur herzlich wenig über ihre Eigenart, ihre Kultur und ihren Glauben bekannt ist, so werden sie von den Phoenikern noch in den Schatten gestellt. Aus erster Hand weiß man nicht viel, sogar leidlich wenig. Keine Mythen, keine Dichtung, keine Gottheiten oder sonstwelche religiösen Zeugnisse sind vorhanden.
Maitland A. Edey: "Das Wesen eines Volkes verrät sich in den Liedern,die es singt, den Anekdoten, die es sich erzählt. Nur nach den Zeugnissen zu urteilen, machten die Phoenizier nie auch nur den kleinsten Scherz ".
Zwar waren die Phöniker vertraute Gestalten in den zahlreichen Mittelmeerhäfen, man kannte ihre Schiffe und lobte ihre Erzeugnisse oder Importwaren und schilderte sie als gewiefte, pfennigfuchsende, manchmal auch nicht immer redliche Händler, allein, von ihnen selbst ist so gut wie kein Zeugnis vorhanden. Heute sind sie - falls man sich an sie erinnert - als legendäre Seefahrer bekannt und als die Erfinder des Konsonanten-Alphabets.
M.A. Edey: " Das erste stimmt, das zweite nicht....Die Phönizier "erfanden" das Alphabet nicht, aber sie hatten einen grossen Anteil an seiner Weiterentwicklung. ... weil das phönizische Alphabet noch keine Vokale enthielt, sondern nur Konsonanten - genau 22. Zu einem vollen Alphabet gehören aber Vokale, und wenn wir genau sein wollen, gebürt das Verdienst den Griechen, denn sie waren es, die die phönizischen Lettern übernahmen und von sich aus einige Zeichen, die für Vokale standen, hinzufügten. Das war nun endlich das Alphabet?.
In Sachen Schrift und schriftlichen Aufzeichnungen sind die Phöniker arm an Zeugnissen. Nicht dass sie nichts aufgezeichnet hätten, wohl eher im Gegenteil, denn ein so reger Handel erfordert auch eine entsprechende Buchführung, Bestellungen und all die Dokumente, die den Handel in seinem ganzen Umfang ausmachen. Von solchen Dokumenten, die seinerzeit entweder auf Papyrus oder Tontäfelchen festgehalten wurden, ist praktisch nichts auffindbar. Der Grund dafür ist das Klima entlang des libanesischen und israelischen Küstenstrichs. Die dort vorherrschende Feuchtigkeit wirkt sich verheerend auf Holz, Ton und Papyrus aus: Holz und Papyrus verfaulen, Tontafeln (falls nicht vergraben) zerfallen oder werden durch Witterungseinflüsse unleserlich, bzw.unentzifferbar. Die Phöniker mögen die akkuratesten Schriftführer und genauesten Buchführer gewesen sein, allein, die klimatischen Elemente standen ihrem Fleiss kontraproduktiv entgegen.

Inzwischen hatten die Phoeniker sich als kunstfertige Schiffszimmerleute einen Namen im ganzen Mittelmeerraum gemacht, so dass die Perser und die Altfeinde der Phöniker, die Assyrer sie als Schiffsbauer einstellten und sogar phönizische Schiffe in ihrer Flotte aufnahmen. Die phönizischen Schiffe fielen allein schon durch die Schilde auf, die sie entlang des Rumpfes befestigten, nach dem Muster, wie sie auch ihre Festungen mit Zinnen ausstatteten.


Im Mittelmeer hatte sich nicht bloss die friedliche Handelsschiffahrt breit gemacht, sondern gleichermaßen auch die Kriegsschifffahrt. Gegen 2000 v.u.Z. galten die Kreter als die strärkste Seemacht im Mittelmeer. Sie hatten sowohl ihre Kriegs- als auch ihre Handelsschiffe mit einem Rammsporn ausgestattet und es heißt, daß auch sie die Kampftechnik des Rammsporn als erste angewendet hätten. Die Kreter gelten auch als wahrscheinlich erste, die ihre Navigation nach den Sternen ausrichteten, eine Praxis, die die Hellenen später zusammen mit kretischen Schiffsmodellen übernahmen. Die Kreter gelten auch als eines der sehr wenigen, wenn nicht sogar als einziges nicht-indogermanisches und
nicht-semitisches Volk im Mittelmeerraum.
Der Rammsporn machte Schule und wurde eine der bedeutendsten Kriegstaktiken des gesamtenAltertums. Durch die Weiterentwiclung der Rammsporntechnik wurden die Schiffe immer länger - um mehr Riemengänger an Bord nehmen zu können, ergo mehr Kraft auf die Riemen zu bekommen und somit sowohl bessere Fahrt zu machen als auch dem Rammsporn mehr Schlagkraft zu verleihen. Die Länge der Schiffe wurde bis auf zirka 35 Meter ausgedehnt, ein Maximum, das aus Sicherheitsgründen nicht überschritten wurde und sich in der Schiffsbaupraxis bis ins Mittelalter hinein bewährend sollte.
Aus den Deckruderern wurden mit der Zeit Etagenruderer, die auf bis zu drei Etagen übereinander ein ungemein starker "Motor" waren.
Das Zubehör zu den Schiffen nahm mit der Entwicklung der verschiedenen Typen ebenfalls zu: Holz- und Seilleitern zum Ein- und Aussteigen und zum Segelholen - Bootshaken, Wasserschöpfgeräte, das Lot, Rettungsringe u.a aus Kork, verschiedene Segel für verschiedenes Wetter. Der Anker war anfangs lediglich ein grosser und schwerer Stein, dann ein unförmiger Haken bis er schliesslich die uns heute vertraute Form annahm.

Zwischen all dem kriegerischen Gemetzel auf See blieben die Phöniker wie "gute Schuster bei ihrem Leisten", der Handelsschiffahrt, die sie als fast allseits beliebte Händler trotz fast dauernden Kriegszuständen mehr oder weniger immer unangefochten ausüben konnten.
Anfang des -9. Jh. gründeten sie Karthago und Mitte des -8. Jh. begannen die Griechen mit der Kolonisierung Sizilliens. Um -700 herum gründeten die Phöniker auf Westsizilien Motye. Auf das Datum 494 v.u.Z. wird die Flottenhilfe der Phöniker an die Perser gegen Griechenland gesetzt. Kurz danach erobern die Griechen die phönizische Kolonie Motye.

Um 330 v.u.Z. herum fallen die phönizischen Stadtstaaten Byblos, Sidon und Tyros in die Hände von Alexander dem Grossen. Kathago wird von Römern eingenommen. Phönizien geht unter und mit ihm die bemerkenswerteste Handelsschiffahrstskultur der Alten Welt.
Kurz danach entstand unter der Regie der Hellenen von -299 bis -280 eines der so genannten Weltwunder: der Pharos von Alexandreia wurde unter der Leitung des Baumeisters Sostratos von Knidos errichtet. Mit der Hilfe einer Konstruktion von Vergrösserungspiegeln konnte man vom Pharos aus bis zu 20 Seemeilen aufs Meer hinaus blicken - eine imminente Verteidigungseinrichtung für die Ptolemäer.


Um diese Zeit herum verlassen wir das Altertum zu einem Moment, in dem auch Athen Seemacht wurde und sich gegen die anrückenden Perser verteidigen musste. Die Römer hingegen spielten in der Seegeschichte keine überragende Rolle und erwiesen sich auch als Erfinder von technischen Neuerungen nicht einmal als Mitläufer. Sie verblieben während der gesamten Antike dem Meer gegenüber misstrauisch, betrieben zwar mit starken Lastenträgern (bis zu 300 Tonnen) auch Seehandel um 300 v.u.Z. herum und zeigten im Krieg mit Karthago, daß sie auch eine Kriegsmarine aufbauen konnten. Als Seemacht freilich galten sie nie.

3 Kommentare:

  1. Cool aber etwas genauer wäre nicht schlecht z.B. wie ihre schiffe aussahen

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  2. Danke. Das Problem besteht darin, daß es außer auf Münzen keine verläßlichen Abbildungen von ph. Schiffen gibt. Alles andere, was an Bildern zirkuliert, sind mehr oder weniger nachempfundene Rekonstruktionen und die meisten und besten davon sind mit Copyrights belegt. Hier http://www.antiqua.lu/index.php/geschichte/seefahrtphoenizier habe ich eine Illu, aber auch nicht gerade das, was ich gesucht habe. ^^

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