Fionn macCumhaill

Finn und sein Hund

Cumal macArt war im Westen Erins ein großer Held und gefürchteter Krieger. Ihm war weisgesagt worden, daß er, würde er sich vermählen, in der ersten auf die Vermählung folgenden Schlacht sterben würde. Trotz dieser unheilvollen Weissagung unterlag er den Reizen der Königstochter, vermählte sich heimlich mit ihr und zeugte einen Sohn. Er erlebte aber dessen Geburt nicht mehr, da er ein paar Tage später in einer Schlacht umkam. Die Königstochter gebar einen Sohn, den ihr Vater jedoch sogleich in den Schloßgraben werfen ließ. Ihm war nämlich vorausgesagt worden, daß ihn der Sohn seiner Tochter vom Thron verdrängen werde, weshalb er sie versteckte und in einen Turm wegsperren ließ, was Cumal jedoch nicht davon abgehalten hatte, ihr trotzdem den Hof zu machen und sie zu schwängern.
Kurz und gut, der in den Schloßgraben geworfene Sohn entstieg wieder dem Wasser, in der Hand einen lebendigen Salm. Seine Großmutter Bran (Cumals Mutter) beobachtete ihn, erkannte in ihm den wahren Enkel und flüchtete mit dem Kind. Nach einer langen und abenteuerlichen Flucht schlugen sie ihr Lager auf und wollten den Salm braten. Das Kind verbrannte sich am Fisch und als er mit dem Finger am Mund seine Brandblase aufdrücken wollte, gelangte er somit in den Genuß der Weisheit.
Dies ist jedoch bloß eine von vielen Versionen von Finns Zeugung und Geburt.In Finns Leben spielten die Frauen stets eine maßgebliche Rolle. Einer von vielen Sagenvarianten entsprechend, begann es schon mit seiner Mutter. Finns Vater Cumal hatte (in einer anderen Sagenversion) als junger Mann ein Mädchen aus einem rivalisierenden Clan geschwängert, es aber entgegen der geltenden Tradition nicht zur Frau genommen. Der Vater des Mädchens - der Fenierkrieger Goll macMorna - war erzürnt und sann auf Rache, die darin gipfelte, daß er seinem Fiannaführer (damals Finns Vater) den Kopf abschlug und an seiner statt die Führung der Fenier übernahm.
Das uneheliche Kind seines Mädchens wurde Fionn genannt, allein Goll ließ es nicht zu, daß seine Tochter den Knaben aufzog. Nach Beratung mit u.a. den Weisen, wurde der Knabe mit dem schlohweißen Haar vom Druiden Finegas, der am Fluß Boyne lebte, erzogen und unterrichtet.
Ein Intermezzo am Fluß Boyne erinnert sehr stark an die Sage der Keridwen, deren Sohn Gwyon Bach als Taliesin durch ein magisches Gebräu zu großer Weisheit kam.
Finns Erzieher und Mentor Finegas fing eines Tages „den Salm der Weisheit“. Er gab ihn seinem Schüler Finn, damit dieser den Fisch koche. Der Knabe verbrannte sich an dem Fisch den Daumen und - ähnlich dem Gwyon Bach in der Taliesinsage oder der weiter oben erwähnten Variante - lutscht er am Finger um den Schmerz zu lindern und kam somit in den Genuß der Weisheit. Jedesmal danach, wenn er eine Antwort auf eine schwere Frage suchte, kaute er an seinem Daumen und er wurde erleuchtet.
Sein Ruf als Weiser und seine Fertigkeit mit den Waffen eilte ihn voraus und schon bald erbot man ihm die Führung über des Hochkönigs Schar, die Fianna. Sein Erzfeind Goll macMorna, der dem, von ihm selbst erschlagenen Vater des Finn in der Führung der Fianna gefolgt war, wurde von Finn vor die Wahl gestellt, entweder sofort das Land zu verlassen oder Finn als neuem Führer den Treueeid zu leisten. Goll trat bereitwillig zurück und anerkannte Finns Führung. (In einer anderen Sage wurde die alte Fehde noch zusätzlich durch die Heirat Finns mit Golls Tochter beigelegt.)
Inzest oder Blutschändung schienen in den Märchen und Sagen keine erhebliche Rolle gespielt zu haben und Finn zeugte mit seiner Mutter/Frau einen Sohn. Der offenbar recht „unbeherrschte“ Goll seinerseits erschlug den Sohn des Finn und zog sich dadurch natürlich einen Todfeind auf Lebenszeit zu.
Finn führte fortan die Fianna durch die ruhmreichsten, aber auch seltsamsten Abenteuer, darunter eine sechzehn Jahre währende Jagd auf Diarmuid Ua Diubhne, der Ziehsohn des Liebesgottes Aonghus, der Finns Braut Graine (Tochter von Hochkönig Cormac MacArt) entführt hatte.

Eine weitere, bedeutend älter anmutende Sage deckt sich von der Entwicklung her mit der vorigen, in der man lediglich die Namen und Funktionen der Protagonisten auszuwechseln bräuchte, ohne die Geschichte selbst wesentlich zu verändern. In jener älteren Version heißt Finns Mutter Muirne und ist die Tochter des Tyrannen Tadgh. Muirne wurde entführt und Cumal zog aus, befreite die junge Frau und hielt um ihre Hand an, was Tadgh aber verweigerte. Also entführte Cumal Muirne und zeugte mit ihr einen Sohn. Er selbst fiel kurz darauf in einer Schlacht gegen König „Conn von den hundert Schlachten“, den Tadgh zu Hilfe geholt hatte.
Als Tadgh bemerkte, daß seine Tochter schwanger war, wollte er sie umbringen, doch auf Einwirken von König Conn kam sie in die Obhut von Cumals Schwester, der Druidin Bodhmhall , die den Knaben gemeinsam mit dem Weisen Liath und einer weiteren Druidin in den Wäldern von Sliabh Bladhmha aufziehen und auch in der Kunst der Waffenführung unterweisen sollte. Ähnlich wie seine britannischen Nachbarn, die „Wunderknaben Merlin und Taliesin“ wuchs Demne (so hatte ihn Muirne genannt) schnell heran, bzw. kam schon als Neunjähriger (Symbolzahl 3) zur Welt. In dieser Version kommt kein Weisheit spendender Salm vor, denn der Knabe besaß die Weisheit schon bei der Geburt.

Eine andere Variante erzählt, daß nicht Cumal macArt der wirkliche Vater von Finn gewesen sei, sondern der Anderswelt- und Meeresgott Manannaum, der Muirne in Cumals Abwesenheit besuchte und ihr beischlief. In dieser Version heißt das Kind Moraind.

In der gängigen Version der Finn-Sage durchlebt er seine Einweihungszeit - seine Initiation zum Helden. Er wird von Weisen aufgezogen, lebt bei wandernden Handwerkern und Räubern und wird sogar während einer kurzen Zeit von einem Riesen unterrichtet. Jedenfalls ist seine Jugend von einer dauernden Flucht vor dem Clan der Mornas bekennzeichnet, die ihn töten wollen um weiterhin die Führung der Fianna an den Mornaclan zu binden.

Der weißblonde Sohn des zweiten Fenierführers Cumall macArt namens Finn (Fionn > weißblond) macCumaill, (Fionn macCumal oder auch macCool), dessen Haarpracht ihm den Spitznamen „Weisskappe“ einbrachte (später wurde die Kappe als magischer Aspekt umfunktionniert. Je nachdem wie Finn seine „Tarnkappe“ drehte, konnte er sich z.B. in ein Tier verwandeln), gilt bei den Iren als göttlicher Held.

Oisin

Finn hatte mehrere Frauen und genau wie die Mitstreiter der Fianna wurden sie vor der Vermählung harten Proben in Form von komplizierten Rätseln ausgesetzt. Eine von Finns Frauen (Saar) bestand die Prüfung, indem sie als Antwort die Gestalt einer Hirschkuh einnahm. Als sie nach der Vermählung schwanger wurde, prophezeite man ihr, daß das Kind ein Hirsch werden würde, wenn sie es als Neugeborenes lecke. Wenn sie dies aber nicht tue, dann würde es ein Mensch werden. Finns Sohn kam als Mensch zur Welt. Als seine Mutter ihn unversehentlich bei einer Liebkosung mit ihrer Zunge an der Stirn berührte, wuchs ihm dort ein Stück Fell. Daraufhin nannten sie den Jungen Oisin (kleines Kitz). Oisin wuchs, im Gegensatz zu seinem Vater, zu einem kultivierten jungen Mann ohne kriegerische Ambitionen heran. Er wurde ein Mann des Wortes und des Geistes, ein Barde und begleitete lange Zeit die Truppe seines Vaters um über sie zu berichten. Später dann verließ er die Fenier und trat eine längere Reise nach Tir nan Og an, der Anderswelt der Jungen und blieb dort mehrere Jahrzehnte.
Er muss sehr lange fort gewesen sein, denn als Finn im hohen Alter von sage und schreibe 230 Jahren starb, bzw. in die Anderswelt entrückte, hatte er seinen Sohn seit dessen Abgang nicht mehr wieder gesehen. Als Oisin erfuhr, daß er zu spät zurückgekommen war, irrte er lange Zeit traurig umher und schwelgte nostalgisch in der Erinnerung an die Zeit mit seinem Vater und der Fianna.
Er hatte das Glück den Hl. Patrick zu treffen (in einer anderen Sagenversion ist es sein Freund oder ein Mann namens Cailthe, möglicherweise identisch mit dem gleichnamigen Druiden) und der Heilige bat Oisin, ihm ausführlich über die Vergangenheit Erins zu berichten, denn Patrick war Brite und sein Wissen über Irland war nur bruchstückhaft. Als Dank setzte er sich für die Seelen Finns und einigen seiner treuesten Gefolgsleute ein und wie es heißt, erreichte er ihre Erlösung und sie konnte als Christen ins christliche Annwfn einfahren.
Ebenfalls im hohen Alter entschwand Oisin definitiv in der Anderswelt. Auf Antrim wird ein Steinhaufen als seine Grabstätte bezeichnet.

Göttlicher Held

Finn war der letzte und zugleich berühmteste Führer der Fianna. Neben seinen kriegerischen Verdiensten baute Finn unter anderem den „Giant's Causeway“ in Ulster. Seine göttlichen Fähigkeiten verliehen ihm Schöpferkraft. Der Sage nach warf er eine Sode in die Irische See, die dann als Isle of Man aus den Fluten stieg, oder er schleuderte einen Kiesel in den Atlantik, der aus den Fluten die zwischen Irland und Grossbritannien bis heute noch umstrittene Felseninsel Rockall hervortreiben ließ.
Fionn macCumhail ist fester unverrückbarer Bestand der irischen Mythologie und sein Leben und Wirken ein ungemein reicher Bilderbogen von Heldentaten und Schlachten, bei denen er – genau wie sein britannischer Nachbarsheld Artus – eine feste Riege solider Heldenfiguren an seiner Seite wußte.

Finn wird allgemein im 3. Jh. n.u.Z. angesiedelt, allein, seine mythische Figur erscheint durch die mannigfaltigen Eigenschaften um ein Bedeutendes älter. Er scheint genau wie Arthur aus „verschiedenen Schichten“ zu bestehen, die sich weit vor die Zeitrechnungsgrenze zurückverfolgen lassen und die sich von König Nuada an aufwärts über Gwyn ap Nudd hinwegziehen. Als Abkömmling in direkter Linie von Nuada erscheint der Vergleich des Finn (hell, weiss, Weisskappe) mit Gwyn (weiss) nicht sehr weit hergeholt. Nudd und Nuada haben so manches mit dem britischen Gott Nodons gemeinsam, der zudem als Gwyns Vater gilt. Die Art und Weise, wie Finn zu seiner Weisheit gelangte, erinnert auch sehr an Gwyon/Talesien.

In der Tat spricht mehr für einen „älteren Finn“ als für ihn als Bewohner des 3. Jh. n.u.Z.. Die Nordmänner, die Finn und seine Mannen im 3. Jh. bekämpften, fielen auch erwiesenermaßen erst sehr lange nach dem 3. Jh. sowohl in Irland als auch in Schottland ein. Aber als Nationalheld hatte er trotz allen mythologischen Ungenauigkeiten alle Hände voll zu tun, um all die Riesen, Trolle und Oger, Drachen, Schlangen und riesigen Keiler von Irlands Erde hinweg zu fegen. Es heißt, daß auch der hl. Patrick in der Verjagung der Schlangen in Irland von sich reden machte … Bei den Heiligen verkennt man schnell den Helden, schließlich hatte auch der hl. Columba das Schlangenmonster von Loch Ness in seine Schranken verweisen.

Finns Geschichte ist stellenweise eine willkürliche Aneinanderreihung von Heldentaten und jener des britannischen Arthur nicht sehr unähnlich, so gibt es auch über Finns Tod keinen definitiven Schlußbericht.
Wurde nun bei der Artuslegende eine Anleihe gemacht oder war es andersrum, jedenfalls scheint Finn nicht definitiv gestorben zu sein. Zwar wird berichtet, er sei im Kampf umgekommen, als er Aufrührer in den eigenen Reihen der Fenier bekämpfte, aber allgemein beliebter ist die Version, daß er (wie Artus) in die Anderswelt entrückte, um ähnlich wie sein britischer Homologe beim Volk in der Erwartung seiner Wiederkehr zu verbleiben, um seinem Land Sieg und Frieden zu schenken.

Finn und sein Sohn Oisin erfuhren eine poetische Neubelebung in Schottland, wo man mangels eigener antiker Helden auf schon existente irische Figuren zurückgriff und aus Finn den Fingal und aus Oisin den Ossian erschuf. Die in den entsprechenden Sagen verwendeten Texte sind im Gegensatz zu ihren Protagonisten echt, sehr alt und gälischen Ursprungs. Allerdings konnten sie von den Schotten nicht mehr eigenen mythischen oder historischen Personen zugeordnet werden.

Die Zeitspanne von Finns Wirken in Irland fiel in Schottland vergleichweise in eine Epoche, die so dunkel und ungeklärt ist, daß aus Heroenmangel ein Held erschaffen werden musste, was dann dem Schulmeister MacPherson u.a. mit der Figur des Ossian und dessen Gedichten anfangs auch richtig gut gelang, später dann aber als Literatur und als Mythenfälschung entlarvt wurde.

Die Fianna

Dieser historisch-mythologische Begriff hat in der Geschichte Irlands eine lange und blutige Karriere hinter sich. Ursprünglich war es eine Bezeichnung für eine Gruppe von Kriegern oder Söldnern, eine "warband", ein „wild bunch“, oder eine Meute oder Rotte von ausgebildeten Kriegern - fortan der Grundbestandteil des keltischen und später irischen Militärwesens. Je nach Sage, Epoche wurde sie im Laufe ihrer mythologischen und historischen Entwicklung auch noch „Fianna Eirinn oder Fenians“ genannt.
Redet man von "the fianna" oder benutzt man die Großschreibung, dann ist fast immer die halbmythologische Gruppe von Helden um den legendären Fionn macCumhaill gemeint, die mit ihren Abenteuern im Fianna-Zyklus beschrieben wird und Bestandteil des Finnschen "südirischen Zyklus" darstellt.
Die Fianna war in der keltischen Mythologie Synonym für die exklusiv dem amtierenden Hochkönig dienende Söldnerschar, Kriegerhorde oder persönliche Leibgarde. Andere Quellen hingegen beschreiben sie anfangs als wilde (Räuber)Horde, die sich dann gelegentlich dem HochkÖnig unterstellte, ganz allgemein aber immer autonom blieb. So "nahmen sie sich zeitweise frei" und gingen im Kollektiv oder einzeln monatelang auf Jagd. Es scheint belegt, dass sie sich drei oder vier Hauptlager in verschiedenen Regionen ihrer Provinzen eingerichtet hatten und abwechselnd auch dort lagerten.

Die meisten der Fianna entstammten den Clans der Bas(c)na und der Morna. Gelegentlich nahm die Schar auch gut beleumundete Außenseiter auf und es heißt, daß manchmal sogar einige Daoine Sidhe im wilden Reigen mitwirkten. Die Mitglieder der Warband mußten nicht nur kampferprobte Krieger und behende Waldläufer sein, sondern jeder, der aufgenommen werden wollte, hatte auch die bardische Kunst des Dichtens zu beherrschen.

Nach vagen und historisch unbestätigten Quellen scheint die Fianna gegen Ende des 2. Jh.n.u.Z. gegründet worden sein. Der erste Führer hieß Morna, seinerseits Clanchef der gleichnamigen Sippe. Damals waren die Römer auf ihren Feldzügen in Britannien taktisch festgefahren und vor ihnen lang nur noch die Möglichkeit einen Einfall ins benachbarte Irland zu wagen. Wie wir heute wissen, kam es nie dazu. Da der Fianna nun kein Gegner zur Verfügung stand, wurden sie von ihrem Hochkönig zu Ordnungshütern umfunktionniert. Ihnen oblag es fortan das Land vor Räubern und Renegaten zu sichern und schon bald erfreuten sich die Fenier einer populären Beliebtheit u.a. als Garanten sicheren Reisens.

In einer anderen Sagenversion waren sie für die Verjagung und Bekämpfung der in Irland einfallenden Nordmänner zuständig. (Dies ist zumindest zu der Zeit unwahrscheinlich, da die Nordmänner viel später einfielen, aber mythologisch mußten Gegner her, die denen des Artus vergleichbar und einem göttlichen Nationalhelden würdig waren.) Ihr berühmtester Anführer Fionn macCumhaill stieg in der Gunst des Volkes zum bekannten und umworbenen Nationalhelden auf.
Nach dem Tod des ersten Fenierführers Morna übernahm der Clanchef des Basna, Cumall macArt (oder Cumall macBasna) die Spitze. Nach ihm folgte Goll macMorna und danach Finn macCumhaill. Wie sich aus dem Intrigen und die Mißgunst in der Führungsspitze der Fianna herauslesen läßt, standen die beiden Gründerclans – die Basna und die Mornas – auch ohne besondere „andere“ Einwirkungen in steter „heimlicher Fehde“ um die Macht der Führungsspitze.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen