Sagen wir es gleich: über die Weltsicht des Druidentums wissen wir so wenig, daß ihre Analyse, auch unter Miteinbeziehung der mythischen und heroischen Texte immer nur Interpretation, zum Teil auch wohl Spekulation sein wird. Die Risiken dabei sind offensichtlich, Mißverständnisse nicht auszuschließen.
Wenn man die Kelten, ihre Religion, ihre spirituellen und intellektuellen Vorstellungen verstehen will, darf man sich nicht auf die humanistische Weltsicht des Okzidents berufen. Das Druidentum und das Keltentum fußen auf einer anderen Art des Denkens, des Lebens und einer anderen Art und Weise die Dinge zu sehen. Vor allen darf man beide, das Druidentum und Keltentum nicht voneinander trennen oder voneinander isoliert betachten. Das „Keltische„ ist ohne das „Druidische„ nicht denkbar und umgekehrt stimmt es auch.
Mutter Erde
Die Regeln, Sitten und Bräuche der vorgeschichtlichen okzidentalen Urbevölkerung (und nicht nur der) beruhten ausnahmslos auf dem Naturrecht. In jenem Zeitalter anerkannten die Menschen diese Gesetze ihrer „Mutter Erde“. In diesem absoluten Matriarchat erwuchs die allgemeingültige Ordnung des Einzelnen und des Stammes sowie die gesamte Evolution aus den gegeben Naturgesetzen und ihren Konsequenzen für den Menschen. Das Gesetz der „Mutter Erde„ – der terra mater – geht bis weit vor das Neolithikum zurück, wo sie erstmals vom Menschen als Herrin der Tiere dargestellt wird und die allumfassende Macht besitzt.
Ihr Gesetz war (ist noch immer) brachial und extrem konsequent.
Den Überlieferungen nach (und auch heute noch im übertragenen ökologischen Sinn ) begegnete sie jedem und allem feindlich, der/das sich gegen sie stellte, belohnte hingegen jeden, der sich mit ihr verband.
Den allumfassenden Glauben – sakral wie auch sozial – an die terra mater findet man in zahlreichen Ur-Kulturen, so auch im Okzident.
Sinnbildlich ist ihr ewiger Sieg und ihre ungebrochene Dominanz in zahlreichen Sagen und Legenden denn auch weltweit erhalten. In den Mythologien der meisten Kulturen ist das Sinnbild der Mutter Erde immer an eine Frauengestalt geknüpft, eine feenhafte Figur, ewig jung und doch steinalt, abgrundhäßlich und doch wunderschön – eine weibliche Gestalt, die schon immer da war und immer sein wird - von der alles Wohl der Menschheit abhängt.
Diese weibliche Gestalt verkörpert das Matriarchat, die Mutter Erde, der jeder und alles unterworfen ist. Sie ist allgegenwärtig und tritt in vielen Verwandlungen und Gestalten auf, als alte Bettlerin, als reizende Jungfrau, als Gehilfin im Heim oder als agressive Kriegerin und als vermenschlichte Göttin.
Durch dem in unseren Breiten um 6-800 n.u.Z. aufkommenden Feudalismus und die in Folge eingeführten Landgrenzen und die praktische Umsetzung der Definition der Landeigentumsrechte in Verbindung mit dem Aufkommen des Leibeigenenrechts der Fürsten, wandelte sich die Gesellschaft von der individualistischen und sehr locker verbundenen Koexistenz von Stämmen, Sippen und Verbänden in eine frühe Staatsmacht, die ausschließlich von Männern organisiert und geführt wurde. An die Stelle des naturreligiösen Matriarchats der Urgemeinschaften trat nun auch hier definitiv das ökonomische und ausschließlich materiell ausgerichtete Patriarchat der Kirche, der Könige und sonstiger Landesfürsten, interpretiert und ausgerichtet nach dem Allvaterprinzip der römischen Bischöfe und ihrer Doktrin, in der die Frau keinen Führungsanspruch - in anderen Worten - keine Rechte mehr hatte. (Der Einstieg war aber schon vor einigen tausend Jahren vorbereitet worden, denn zumindest in unseren Breiten wurden die Riten und Zeremonien schon in der Hauptsache von Männern durchgeführt. Auch wenn die Frauen assistieren durften, so war ihr natürliches Recht doch schon zu einem guten Teil beschnitten. Es lebte lediglich noch im Urprinzip der terra mater weiter.)Die Frau mußte aus der Führungsrolle, die sie über Jahrtausende als Symbolfigur der Mutter Erde vertreten hatte, ausscheiden.
In Europa installierte sich die Staatsreligion Roms und der alte Allmutterglaube wurde konsequent u.a. auf dem bislang unbelegten mysteriösen Konzil von Nicäa entfernt und durch einen personifizierten Eingott mit absoluter Machtgewalt ersetzt. Ganz konnten die römischen Religionsstifter das Ansehen der „Mutter„ jedoch nicht tilgen. Teilweise – wie in Irland , Schottland, Wales usw. Teile der druidischen Religion und etliche Festtage – übernahmen sie das Symbol der terra mater in den Frauengestalten u.a. der Anna (die im alten Europa die Allmutter verkörperte) als Mutter der Maria - der Maria als Mutter des Gottessohnes - der Magdalena als dessen Lebensgefährtin.
Daß Madame terra mater allerdings dem doch schon recht senilen und äußerst launisch-unberechenbaren Allvatergott dauernd in die Suppe spuckt, merkt man spätestens an den Konsequenzen auf den aktuellen ökologischen Kahlschlag – Tsunamis, NewOrleans, Klimaveränderung, etc. Also hat unsere gute alte terra mater doch noch immer die Fäden in der Hand und ein irdisch verwalteter Eingott wird daran auch noch so bald nichts ändern.
Ich sehe den Allmutterglauben nicht unbedingt als irdische Vormachtstellung der Frau als Mensch, sondern eher allegorisch auf den Begriff "Mutter" Erde bezogen. Daß dies ein Hinweis auf uralte und uns gänzlich unbekannte Kulturformen sein kann, schließe ich nicht aus, wie ich nicht ausschließe, daß es vielleicht tatsächlich irgendwann einmal eine von der Frau dominierte Gesellschaftsform gab. So wie das sogenannten "mythologische Zeitalter" (Mesolythikum - zirka 10000-4000 v.u.Z.) uns keinerlei faktische Informationen bieten, verlassen wir uns darauf, daß vor der großen Eiszeit halt bloß keulenschwingende und wild im Reigen bumsende Primaten auf Erden weilten.
Geht man der Spur der halbmythologischen Hyperboräer ein wenig nach und läßt man das mythologische Brimborium um Apollo und Pythagoras mal beiseite, bieten sich die fragmentarischen Aufzeichnungen des griechischen Reisenden Aristeas, der in die Region des Balchaschsees und in noch weitere ungenannte Regionen vordrang, bis er zu der sagenumwobenen "Dsungarischen Pforte" gelangte.(Die Sage berichtet, daß dort heftige WInde aus der Pforte wehen - die boräischen (borealen??) WInde). Aristeas siedelte die Hyperboräer hinter dieser Pforte an, die in der Nähe oder sogar in den Altai-Bergen liegen soll, von wo uns der offenbar äußerst wirksame Altai-Schamanismus kommen soll, der seinerseits wiederum auf naturmystischen Prinzipien beruhte.
In den Altai-Bergen wird nach lamaistischem Glauben der Sitz der Weisheit (weiblich), der Shambala (auch weiblich) vermutet.
In Anbetracht der Naturmystik als weiblicher Maßstab haben wir nunmmehr einen weiteren Faktor weiblichen Geschlechtes, die Weisheit oder die Shambala.
Einmal abgesehen davon, daß man beide Begriffe als grammatikalische Spielerei (weibliche Schreibweise) abtun könnte, sind das m.M. nach doch schon etliche weibliche Hinweise zuviel, um sie einfach zu übersehen.
Zusätzlich möchte ich auf die Sonne hinweisen, die als Göttin in ausnahmslos allen naturmystischen Religionen auftaucht. Sie ist mythologisch-weiblich und auf ihre Rolle oder Zuordnung in der Götterwelt brauche ich wohl kaum extra hinzuweisen.
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