Branwen und Bran

von
ElaOlyn





Branwen und Bran waren Kinder des Meergottes Llyr und Iweriadd. Branwen heiratet den König von Irland, Matholwch. Das Hochzeitsfest fand auf der Insel Anglesey statt. Dort wurden riesige Zelte errichtet, denn es gab weit und breit kein Haus, das groß genug für Bran gewesen wäre. Er wird in den Geschichten als Riese mit gewaltigen Körpermassen beschrieben. Also feierte man auf Anglesey in Zelten. Nur einer schmollte, da man ihn nicht zu seiner Meinung zur Heirat gefragt hatte, nämlich Efnissyen, ein Halbbruder der Geschwister Branwen und Bran. Um diese, in seinen Augen derbe Erniedrigung zu rächen, ging Efnissyen in die Ställe zu Matholwchs Pferden und schnitt ihnen Lippen, Schwänze, Ohren und Augenlider ab.
Matholwch war natürlich stocksauer und wollte sofort die Heimreise nach Irland antreten. Bran versuchte ihn zu beschwichtigen und versprach Matholwch ein neues Pferd für jedes, das verstümmelt worden war, sowie einen Silberstab, so groß wie er selbst und einen goldenen Teller, so groß wie sein Gesicht. Aber Matholwch zögerte noch, da bot ihm Bran den wertvollsten Schatz, den Wales besaß an: Nämlich einen Zauberkessel, indem Tote wieder zum Leben erweckt wurden, aber sie büßten dafür die Fähigkeit zu sprechen ein.
Matholwch nahm scheinbar besänftigt die Geschenke an und segelte mit Gemahlin zurück nach Irland. Dort gebar Branwen nach einem Jahr einen Sohn, den sie Gwern nannte. Aber Matholwch war immer noch sauer auf das was Efnissyen ihm angetan hatte und so verbannte er ein Jahr nach Gwerns Geburt Branwen in die königliche Küche, wo sie das Leben einer Dienstmagd führte. Nur sollte davon Bran nichts erfahren, deshalb durften keine Schiffe mehr von Irland nach Wales segeln. Und die Mannschaft von einlaufenden britischen Schiffen ließ er ins Gefängnis werfen.
Branwen zog aber einen jungen Star auf und schickte ihn zu ihrem Bruder mit einer Botschaft, die sie dem Vogel ans Bein band. Bran organisierte unverzüglich eine Strafexpedition und überließ die Regierungsgeschäfte sechs Stammesfürsten unter dem Oberbefehl seines Sohnes Caradawcs.
Kurz darauf erhielt Matholwch Nachricht von einer ungewöhnlichen Erscheinung. Mitten im Meer sei ein Wald entstanden und neben dem Wald erhöbe sich ein Berg, aus dem ein von zwei Seen umgebener Kamm hervor ragen würde.
Matholwch konnte sich dieses Phänomen beim besten Willen nicht erklären. Branwen aber wußte sehr wohl was es bedeutete und teilte dies Matholwch dann auch mit:
Der Wald sei die britische Flotte, die gekommen sei, um sie zu retten. Der Berg sei Bran, der durch das Meer wate, da kein Schiff groß genug sei, ihn zu tragen. Der Kamm sei seine Nase und die Seen seine Augen.
Nun wurde Matholwch doch sehr besorgt und heckte einen Plan aus. Er baute ein Haus für Bran, das ihm ausreichend Platz bot, ihn samt Heer aufzunehmen. Doch an alle Pfeiler des Hauses hängte er Säcke, in denen jeweils ein irischer Krieger steckte. Auf ein Signal sollten alle Krieger herauskommen und die Gäste des Königs bei einem Bankett niedermetzeln.
Bran war beeindruckt von dem Haus, aber Efnissyen war mißtrauisch und fragte, was in den Säcken sei. Es wurde ihm gesagt , daß es Mehl sei aber Efnissyen tastete einen Sack ab und spürte darin einen Kopf, den er sogleich mit einer Hand zerdrückte. Das machte er auch bei dem Rest der Säcke. Matholwch mußte deshalb seinen ursprünglichen Plan aufgeben.
Das Bankett fand statt und Matholwch erklärte sich bereit, zugunsten seines Sohnes aufzugeben. Efnissyen fragte, ob er Gwern streicheln dürfe. Das wurde ihm erlaubt, immerhin war er der Onkel des Jungen. Aber der Fiesling packte den Knaben und warf ihn ins Feuer.
Nun ging’s rund! Aus dem Fest wurde eine blutige Schlacht. Die Iren gewannen die Oberhand, da sie den branschen Kessel besaßen, der alle toten Krieger wieder ins Leben zurückrief.
Efnissyen verbarg sich unter einem Haufen gefallener Iren und wurde zusammen mit ihnen in den Kessel geworfen. Dort streckte er sich und brach das Gefäß in vier Stücke. Aber auch sein Herz zerbrach durch die Anstrengung und er starb.
Drei Tage dauerte die Schlacht, dann endlich ging Bran als Sieger aus ihr hervor. Aber von seinem Heer waren nur sieben Krieger am Leben geblieben - unter ihnen sein Bruder Manawyddan und Pwylls Sohn Pryderi. Bran selbst war von einem vergifteten Pfeil im Fuß getroffen worden und lag im Sterben. Die einzigen Überlebenden auf irischer Seite waren fünf schwangere Frauen, die das Schicksal dazu bestimmt hatte, Irland wieder zu bevölkern.
Branwen gab sich die Schuld an der ganzen Tragödie und starb vor Gram.

In Britannien hatte mittlerweile ein Rivale Brans, Caswallawn, die Herrschaft an sich gerissen. Die sechs Stammesfürsten Caradawcs konnte er mit Hilfe eines Zaubers töten. Caradawcs konnte nicht helfen und starb ebenfalls vor Gram.
Auf dem Heimweg nach Wales, befahl der sterbende Bran den sieben Überlebenden der Schlacht, ihm den Kopf abzuschneiden und diesen nach London zu bringen. In Harlech und Gwales, einer walisischen Anderswelt vor der Küste von Penvro (Pembrokeshire) würden sie nach seiner Vorhersage, ihre Reise unterbrechen.
Gwales habe drei Türen, von denen eine geschlossen sei. Sie würden dort 80 Jahre in seligem Vergessen verbringen; während dieser Zeit würde der Kopf mit ihnen sprechen und sie am Leben erhalten. Aber sobald sie am Ende dieser Zeit die verschlossene Tür öffneten, würden sie sich ihres Elends erinnern.
Dann müßten sie so schnell es irgend geht, nach London eilen und den Kopf unter dem weißen Hügel begraben. Es soll wohl der aus weißen Steinen errichtete Tower von London gemeint gewesen sein. Brans Kopf soll dort Britannien für alle Zeit gegen Eindringlinge schützen. (siehe auch: der Menschenkopfkult)
In Gwales taten die Männer, wie ihnen geheißen war und der verzauberte Kopf hielt sie bei guter Laune. Aber nach achtzig Jahren öffnete einer von ihnen die dritte Tür und sie erinnerten sich ihres Elends.
Sie brachen nach London auf und bestatteten den Kopf Brans unter dem weißen Hügel, wo er Britannien solange schützte, bis König Artus ihn wieder ausgrub, weil er glaubte, daß Britannien nur durch Stärke verteidigt werden konnte.



Interpretation

Branwen:
Sie ist die Tochter des Meeresgottes.(Original war ihr Name Bronwen > weiße Brust, der Namew wurde aber des Vergleiches mit dem Bruder wegen angepaßt) Ein Wesen, das sehr mit dem Meer verbunden ist. Sie liebt die Gischt und seine tosende Unberechenbarkeit. Besonders wenn sie Wind und Wellen ausgesetzt ist. In der Geschichte ist sie hauptsächlich die Schwester, die sich auf den großen Bruder verlässt. Sie heiratet und bringt nach einem Jahr ihr Kind zur Welt. Sie vertritt den Typ Frau, der nach außen hin leidend jede Demütigung erträgt, aber selbst nicht großartig handelt. Sie schickt einen Vogel zum Bruder, damit dieser ihr zur Hilfe eile.

Man bekommt bei dieser Geschichte den Eindruck einer aristokratischen Zicke. Sie steht in der Küche und soll die Arbeit von Dienstmägden machen. Ungewöhnlich für eine Frau und gar die Hausherrin, sich dies gefallen zu lassen. In anderen keltischen Erzählungen sind die Herrscherinnen ganz anders drauf. Keine Spur von dieser seltsamen Passivität.
Es gibt in ihrem Hofstaat durchaus Menschen, die ihr wohlgesonnen sind. Ebenfalls erträgt sie, dass der Schlächter ihr einmal am Tag eine Ohrfeige verabreichen darf.
In manchen Attributen kann man noch entfernt den Status einer alten Muttergottheit erkennen. Ihre Herkunft und ihre Beziehung zu Vögeln, lassen es vage durchschimmern. Doch in den Erzählungen tritt sie sehr domestiziert als die Dulderin auf, die sich nicht offen gegen ihr zugefügtes Unrecht richtet. Ihre Ehre läßt sie andere verteidigen.
Hier sieht man schon das vom Christentum gewünschte Bild einer Frau, die sich alles gefallen lässt und akzeptiert, daß Männer das Sagen haben, auch wenn dabei das eigene Kind sein Leben verliert. Sie duldet stille und stirbt lieber an gebrochenen Herzen, als daß sie irgendetwas in Frage stellt.


Bran:
Sein Name bedeutet Rabe. Er ist der große Bruder und wird auch in der Geschichte als riesig dargestellt. Er fühlt sich für seine Schwester verantwortlich. Entsprechend seiner Abstammung kann er sogar durch das Meer wandeln, obwohl ihm die Rolle des ergebundenen Giganten (Berg) zugeschrieben wird. (Seine Abstammungsverbindung zum Meer läßt ihn auch über hundert Jahre lang die Ozeane auf der Suche nach Anderswelten absuchen). Ähnlich wie bei Thor, der als Sohn der Erde immer mit ihr verbunden sein muß, um im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein, verhält es sich auch bei Bran. Er sucht nach vernünftigen Lösungen und zeigt durchaus Kompromißbereitschaft.
Er hat in seiner Beschreibung Ähnlichkeit mit dem germanischen Riesen Ymir. Das Bergen des Kopfes, dem magische Kräfte innewohnen, findet man auch in anderen Mythologien. So sagt man zum Beispiel dem Haupt Johannes des Täufers magische Kräfte nach und einige sehen in ihm das symbolische Baphomet der Templer.
Bei Bran kommen die Elemente der Anderwelt ins Spiel, die Gefährten weilen eine Zeitlang dort und das Haupt, das in Europa gerne als Sitz der Seele gesehen wurde, bleibt lebendig und aktiv auch ohne Körper. Ein Hinweis vielleicht, daß die ursprüngliche Seele auch ohne Körper wirken kann und ihre Identität beibehält?



Efnissyen
ist unberechenbar, einerseits fühlt er sich seiner Familie verbunden, andrerseits handelt er oft zu deren Schaden. Er legt auch den Grundstein für die Zerstörung der familiären Gemeinschaft. So wie er beschrieben wird, hat er Ähnlichkeiten mit Loki. Ganz entfernt kann man durchaus auch ähnliche Sachverhalte, wie im germanischen Ragnarök erkennen.


Matholwch
ist ein Ehemann, der seine Frau nicht gerade sehr entgegenkommend behandelt. Auch wird hier nicht spürbar, was wir als Liebe bezeichnen. Matholwch ist nicht so böswillig und destruktiv wie Efnissyen, greift aber durchaus ebenfalls zu hinterhältigen Methoden, um sich und den Seinen vermeintliche Vorteile zu verschaffen.




*****





Da meiner Ansicht nach diese alten Geschichten einen,
ich nenne es mal schamanisch-spirituellen Hintergrund haben,
versuche ich eine Interpretation von dieser Ebene aus:


Branwen ist die weibliche fruchtbare und nährende Energie, die dem Meer, (Urkraft) entstammt. Sie soll ihre Kräfte in das Land, mit dem sie sich vermählt hat fließen lassen. Ihr Bruder Bran ist eine Kraft, die das Wissen vermittelt, das sie brauchen um ein Land urbar und bewohnbar zu machen. Es ist deshalb immer mit der Erde verbunden und wird riesig dargestellt.
Efnissyen hat zwar den gleichen Stammvater aber zeigt die zerstörerische Seite der Natur.
Die Geschichte zeigt einen Zeitabschnitt, da Britanien und Irland eng verbunden waren.
Matholwch steht für Irland. Wahrscheinlich war diese Insel auch schon in früheren Zeiten darauf angewiesen, daß sie Unterstützung und Güter hauptsächlich aus Britannien bekam.
Branwen kann aber, obwohl sie sich bemüht, das Wohlergehen nicht so wie in ihrem Herkunftsland sichern. Efnissyen die zerstörerische Kraft, zwingt schon bei der Vermählung (Britannien mit Irland) daß Pferde schwer im Joch arbeiten mußten. (Lippen und Ohren, und Schwänze waren sehr in Mitleidenschaft gezogen, sie waren demzufolge nicht die schönen freien Reittiere sondern vorwiegend Arbeitstiere) Bran schafft zwar eine kurze Zeit des Aufschwungs und auch Branwen gelang eine fruchtbare Phase und es hatte den Anschein, als ob Irland eine Blütezeit erleben dürfte. Aber die fruchtbaren Zeiten waren begrenzt. Sie (Irland) mußte selbst hart arbeiten, um ihrem Land das nötigste zu sichern. Es war mühselig alle zu ernähren, jeder mußte hart ran, und Notschlachtungen waren oft die einzige Möglichkeit zu überleben. (Die Ohrfeige des Schlachters) Es waren Schicksalsschläge, sich von Tieren trennen zu müssen, die man eigentlich am Leben lassen will und die man zum Leben brauchte. Das Wetter war unberechenbar und es war unmöglich, Schiffahrt zu betreiben.
Matholwch lebte mit Branwen sehr isoliert. Als Branwen es schaffte, einen Vogel (Singvogel) nach Britanien zu schicken, kann man davon ausgehen, daß eine ruhigere Periode folgte. Die Schiffe konnten wieder passieren und auch Bran kam ungehindert nach Irland. Aber der Überlebenskampf ging trotz vereinten Kräften weiter.
Die Säcke mit den Kriegern drin, kann ein Hinweis sein, daß viele Kinder nicht lebendig geboren wurden. Den Rest rafften Krankheiten (Fieber,Feuer) dahin. Der Kessel kann andeuten, daß die wiedergeborenen Menschen einfach zu kurz lebten und zu hart arbeiten mußten, um sich noch Gedanken über ihre Herkunft zu machen um sich in trauter Runde Geschichten zu erzählen und das kulturelle Erbe weiterzutragen.
Efnissyen setzte alle seine zerstörerischen Kräfte ein und das Land zerfiel in vier Teile, die sich fortan periodisch bekämpften.
Vielleicht wäre es auch interessant, zu erfahren, ob es zwischen Irland und Britannien früher mehr Landmassen oder gar eine Art Meeresenge gab, die eine gemeinsame Kultur hüben und drüben ermöglichten.
Es gab einen kulturellen Endkampf bei dem auch die Erben, die die Kultur weitertragen sollten, starben. In Irland überlebten genügend Frauen (5 als die Zahl des Lebens und des Menschen) um es wieder zu bevölkern. Aber auch Branwen hatte keine Kraft mehr, das was sie unter ihrer Kultur verstand den Menschen zur Verfügung zu stellen. Man kann beachten, daß zuerst der Geist und die Kultur von Britanien nach Irland geholt wurden, dann aber von dort wieder zurück nach Britanien gingen.
In Britanien lebte die Seele und der Geist durch den Kopf des Brans weiter. Seine Vögel, die Raben, sind das Symbol dafür. Dieser Geist wohnt in den Kalksteinhügeln in Südengland. (Die Geschichte mit Artus, werte ich eher so, daß dieser eigenmächtig andere Sichtweisen wichtiger hielt, als sich auf die alten Überlieferungen zu stützen, so daß fremde Einflüsse das ursprüngliche überlagerten, weshalb ihm Myrddin - in der walisischen Artussagenfassung - auch den Kopf wieder abnahm, um ihn sicher zu stellen und somit die alte Tradition aufrecht zu erhalten). Solange in Britanien Raben leben (sie sind u.a. auch menschlichen Kulturen gefolgt und halten sich gerne in Gebieten, in denen Menschen wohnen auf) wird diese Insel den Menschen Kultur und Heimat bieten. Verlassen sie Britannien, ist es auch Zeit für die Menschen dort, sich eine neue Heimat zu suchen (falls sie das noch können), denn es wird dort keine Lebensgrundlage mehr geben.

Was mir an dieser Geschichte auffällt ist, daß männliche und weibliche Kräfte nicht immer den typischen Mustern folgen und eigentlich durchgängig auch durch Akteure des anderen Geschlechts besetzt werden könnten, wie es ja auch in anderen keltischen Geschichten und Mythosversionen vorkommt.
Bran hat auch die Attribute der Ceridwen (Kessel) jedoch mit Einschränkungen. Efnissyen die der dunklen Mutter ( Morrigan) aber auch hier nicht allumfassend. Irland wird durch einen Mann repräsentiert......

Auffallend ist auch ein unverkennbarer Dualismus und eine Rollenaufteilung- und Bestimmung, die auf eine Verarbeitung christlicher Scriben hinweisen mag, die – unwissentlich, wohlmeinend oder gar ganz gezielt – die ursprüngliche Überlieferung oder Allegorie auf christlich vertretbare Maßstäbe zurechtstutzten. Ohnehin war die Gestalt des Bran – warum auch immer - der deontologischen Führung Roms ein Dorn im Auge. (siehe auch: Besiedlung Britanniens)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen