Reiternomaden und Wanderhirten
Ähnlich den Kelten, hinterließen die Skythen auch keine schriftlichen Aufzeichnungen, wurden aber – wiederum wie die Kelten - recht detailliert beschrieben.Insbesondere ihre Art der Kriegsführung hinterließ bei den unterworfenen Völkern einen tiefen und markierenden Eindruck. Die Skythen gelten u.a. als die Erfinder des Streitwagens, die Züchter der ersten Reitpferde und u.a. auch als die Importeure einer sehr effektiven Pfeil- und Bogenkampftechnik. Sie revolutionierten sozusagen die Militärtechnik schlechthin, und das allein schon durch die Nutzbarmachung des Pferdes als Zug- und Reittier.
Pferde ud Streitwagen
Er wird angenommen, daß die Züchtung von Reitpferden etwa um die Mitte des 3. Jahrtausends v.u.Z. irgendwo in den Weiten der zentralasiatischen Steppen begann. In den Anfängen waren die Pferde wohl noch eher kurzbeinige Ponys oder eine ähnliche Gattung und für den Gebrauch als Reittier über weite Strecken hinweg und im schnellenen Gallop sicherlich noch zu schwach. Sie wurden also vorzugsweise als Lastenzieher und als Gespanne von landwirtschaftlichen und/oder kriegerischen Wagen eingesetzt. Die Herkunft des Streitwagens ist bis heute nicht mit Sicherheit belegt.Frank Westenfelder:„Es liegt jedoch auf der Hand seine Heimat dort zu vermuten, wo das Pferd domestiziert wurde. Die zentralasiatischen Hirtennomaden werden die Pferde anfangs dazu benutzt haben, ihr Hab und Gut auf Wagen ziehen zu lassen. Mit der Zeit haben sie dann wahrscheinlich die Erfahrung gemacht, dass sich von einem kleinen schnellen Wagen aus ihre Herden sehr gut überwachen und dirigieren ließen. Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. müssen sie dann bei den üblichen Überfällen auf ihre seßhaften Nachbarn ihre gewaltige militärische Überlegenheit festgestellt haben.“
„Siehe es kommt ein Volk von Mitternacht, ein großes Volk wird sich erheben vom Ende der Erde. Sie führen Bogen und Speer, sind grausam und ohne Erbarmen. Sie brausen daher wie ein ungestümes Meer und reiten auf Rossen, gerüstet als Kriegsleute, gegen dich, du Tochter Zion."
(Prophezeiung Jeremiahs über den Einfall der Skythen,bei dem sie ganz Palästina unterwarfen und im Anschluß in Ägypten einfielen)
Diese Überlegenheit scheint Jeremiah in seiner Prophezeiung Recht zu geben und wahrscheinlich haben schon etliche seßhafen Völker vor den Bewohnern von Palästina dieselbe Erfahrung gemacht. Die berittenen oder auf ihren Streitwagen hereinfallen Skythen waren den entsprechend langsameren und in der Fortbewegung schwerfälligen Fußsoldaten um ein Bedeutendes überlegen. Auch wenn die Infanterie sich als zu stark erwies, blieb den Skythen immer noch der schnelle Rückzug und der anschließende, in kleinen Gruppen geführte neue Angriff von verschiedenen Seiten.Die Skythen beherrschten offenbar schon eine gewisse Guerillataktik, die ihnen mittels ihrer Mobilität durch schnelle Streitwagen zu Überraschungsangriffen verhalf und den Gegnern die Versorgung hinter den Linien stören konnte.Für damalige Zeitbegriffe im Zusammenhang mit einer schnellen Überwindung von Raum und Distanz, brachten die Skythen eine einschneidende Wende. Die Entwicklung überstürzte sich im wahrsten Sinne des Wortes. In verhältnismäßig „rasender Geschwindigkeit“ überfielen die Skythen ihre Gegener und drangen schon um 1700 v.u.Z. in Ägypten ein. Um 1500 wurde das Land am Euphrat und Tigris von Streiwagenkriegern förmlich überrannt. Weiter östlich fielen sie in Indien und kurz darauf in China ein. In den weiter nördlicheren Breiten waren wohl unbewohnte Landstriche zu überwinden, doch auch dort hinterließen sie mit ihrer Kriegskunst einen bleibenden Eindruck.Der Nachteil aus dieser Kriegsführung bestand darin, daß die Skyten in verhältnismäßig kleinen Gruppen angriffen. Auch wenn sie die unterworfenen Völker oder Stämme anfangs dominieren konnten, so wurden sie doch aufgrund ihrer Minderzahl recht schnell aufgesogen oder nach einer gewissen Zeit getötet oder verjagt. Nur dort, wo sie in größeren Gruppen einfielen oder dort, wo sie auf weniger wehrhafte Gegner trafen, konnten sie sich behaupten und gingen meist in der Bevölkerung auf.Was unbedingt blieb, waren die in Sachen Kriegsführung eingebrachten Neuerungen, die schnell Schule machten. Allein der Einsatz von Streitwagen verbreitete sich in knapp 3 Jahrhunderten weit über den heutigen Nahen Osten hinaus bis hinein die griechischen und nur wenig später auch die römischen Autoritätsbereiche. Im Norden erreichte ihre Kriegskunst die Gebiete der Wikinger und Inselkelten früher als die der Germanen. Dies belegt möglicherweise, daß skythische, oder zumindest ihnen zugehörige Stämme wahrscheinlich schon vor den Römern in den Nordländern, in Britannien und Irland zu Werke waren.Die Sarmaten, die unter dem Kommando der Römer am Hadrianswall im Norden Britanniens gegen die Pikten kämpften, waren wohl nur eine von vielen Söldnergruppen, die aufgrund ihrer Waffenfertigkeit und Kriegstaktik in die Dienste anderer Führungsnationen traten. Es wäre auch nicht verwunderlich, wenn sie als Ausbilder oder Berater an diversen Landnahmen u.a. der Römer ihre Hände im Spiel gehabt hätten.Die Skythen und Sarmaten waren weithin als Söldner begehrt. Sie wurden von den Römern, Persern, Ägyptern, Indern und Chinesen verpflichtet. Diverse griechische Tyrannen haben sich mit skythischen Söldnern an der Macht gehalten. Die Skythen findet man als Leibgarde, sogenannte"Doryphoroi" und als eine Art Polizeimiliz u.a. in Athen.
Reiterpferde, Pfeil und Bogen
Im 8. Jh. V.u.Z. etwa war die Züchtung des Pferdes vom Zug- zum Reittier dermaßen gediehen, daß die ersten Kavallerien eingesetzt werden konnten. Berittene Kimmerer – auf der Flucht vor den überlegenen Skythen – brachen in Kleinasien ein.Frank Westenfelder:„Sie kamen über die Seßhaften mit der Gewalt einer Naturkatastrophe und erschienen diesen dann als eine von Gott gesandte Strafe.“Dort wo dreikantige Pfeilspitzen gefunden wurden, wurde gerne auf die Präsenz von Skythen geschlossen. In der Tat schienen die Skythen und allgemein alle Reiternomaden hervorragende Bogenschützen gewesen zu sein. Diese Waffe zusammen mit der Führung des Streitwagens ermöglichte es, aus großer Distanz beim Gegner erheblichen Schaden anzurichten, derweil jener meist nur über Speer und Schwert verfügte und zudem zu Fuß unterwegs war.
Skythischer Bogenschütze
Der Erfindung des Komposit- und/oder Reflexbogens stammt ursprünglich wahrscheinlich aus derselben Gegend wie die schon erwähnte Pferdezucht, ist also skythischen Ursprungs. Er war durch seine bescheidenen Maße eine handliche Waffe, die problemlos von einem Streitwagen oder von einem Pferd aus bedient werden konnte. Erst die mittelalterlichen, europäischen Langbögen erreichten dieselbe Leistung in Reichweite, Präzision und Durchschlagskraft wie die recht kurzen Bögen der Nomadenvölker. Die Armbrust wurde offenbar zur Zeit der Skythen von den Chinesen entwickelt. Die Chinesen hatten damit die Technik und Mechanik des Bogenschießens um ein weiteres verbessert.
Sitten und Bräuche
Wie schon erwähnt praktizierten die Skythen den Menschenkopfkult, indem sie ihren besiegten Feinden den Kopf abschlugen und als Trophäe aufbewahrten, ihn sogar (laut Herodot) vergoldeten und daraus tranken.Der erste Kontakt mit skythischen Kriegern muß u.a. für die Griechen zumindest befremdlich, wenn nicht sogar „schrecklich ernüchternd“ gewesen sein. Verwunderlich bleibt dann aber, wieso sie – wo sie doch durch die Skythen schon den „Barbarismus“ kannten – derart verwundert über die nicht weniger „barbarischen“ Kelten und Germanen gewesen sind, denen sie im Nachhinein sogar den Namen „Celtoi – die Edlen“ und "Germani - die Echten" verliehen.Nun, zumindest zwei griechische Berichterstatter (Herodot und Strabo) und ein Dichter (Homer) schienen von den barbarischen Sitten und Bräuchen der Skythen keineswegs abgestoßen.Herodot schien eher sehr beeindruckt von der wilden ungezähmten Kraft der Skythen und ihrem Leben als Nomadenvolk:"Muß nicht ein Volk unüberwindlich und unnahbar sein, das weder Städte noch Burgen baut, seine Häuser mit sich führt, Pfeile vom Pferd herab schießt, nicht vom Ackerbau, sondern von der Viehzucht lebt und auf Wagen wohnt?" Oder Strabo in seiner Kritik an Poseidinos:„...die Rossmelker, Milchesser und Habelose und Herdlose nennt... welche die auf Wagen wohnenden Skythen und Sarmaten sind“.Poseidinos neigte zur Schwelgerei und war behend im Verherrlichen, (wie wir auch aus seinen Schilderungen der keltischen Druiden wissen) so daß er die Kultur vereinzelter Skythenvölker – vielleicht auch mangels besseren Wissens – auf ein Niveau herabsetzte, das ihnen sicher nicht zustand.
Rossmelker und Milchesser
Zu diesem Thema schildert uns Herodot einen skythischen Brauch: das Melken ihrer Stuten."... sie nehmen Röhren aus Knochen zum Blasen ... uns stecken dieselben in die Schamteile der Stuten, dann blasen sie mit dem Mund hinein und während der eine bläst, melk der andere ... weil die Adern der Stute (durch das Blasen) anschwellen und sie deshalb das Euter herabläßt ...".Durch Umrühren der Milch in einem Bottich gewannen sie an der Oberfläche den Rahm. Berichtet wird auch (u.a. bei Hippokrates), daß die Skythen Butter und Käse aus Stutenmilch herstellten.Offenar ist die Stutenmilch noch heute bei den Tartaren und anderen mittelasiatischen Nomadenstämmen Tradition. Die Stutenmilch wird sogar der Kuhmilch bevorzugt. Die Tradition des "Einblasens" hat die Jahrtausende überlebt und wird noch heute bei nomadischen Araberstämmen und bei südafrikanischen Stämmen, u.a. auch bei milchverweigernden Kühen beobachtet.In der frühen hellenischen Schilderung der Skythen waren diese – sehr verallgemeinert – aggressive Nomanden, die darauf aus waren, die Seßhaften zu überfallen, sie auszurauben und grausam zu töten. Schuld an dieser barbarischen Lebensweise seien ihre ursprünglich lebensfeindliche Umwelt und ihre daraus erwachsene Armut gewesen. Dazu kam noch die völlig mißverstandenen Traditionen und bei den Hellenen inakzeptable Erkenntnis, daß die Skythenvölker offenbar ihre "überschüssigen Kinder töteten oder wegwarfen". Strabo korrigiert dieses Mißverständnis, indem er klarstellt, daß es bei den Nomadenvölkern in extremen Notzeiten durchaus Gepflogenheit war, Kinder und altersschwache Stammesmitglieder (in besiedelten Gebiten) auszusetzen. Die stärkeren Jungen wurden schon von Kindesbeinen an in den Alltag der Nomandenvölker eingebunden: beim Herdenschützen, im Kampf um Wasser- und Weideplätze und im Kampf mit dem Gegner.Die Skythen – so Strabo – kannten keine Ehe im Sinne des zusammenlebenden und zeugenden Paares. Sie lebten offenbar in einer freiheitlichen Form der Weiterpflanzung, d.h. daß sie unabhängig von ehelicher Bindung untereinander zeugten und die Kinder auch in der Gemeinschaft großzogen. Der Clan oder der Stamm war die Familie.Die Frauen genossen eine gewisse „Heiligkeit“:Strabo:„Denn alle finden in den Frauen die Urheberinnen der Gottesfurcht; diese fordern aber auch die Männer zu eifriger Gottesverehrung, zu Festen und Gebeten auf“.Und zu Homer meint er:„ Was Wunder aber, wenn Homer, da bei uns die Unredlichkeit im Handelsverkehr zunimmt, diejenigen die rechtlichsten Menschen nennt, die gar nicht in Handelsverkehr und Gelderwerb leben, sondern alles außer Schwertern und Trinkbechern gemeinschaftlich besitzen, ja sogar Weiber und Kinder nach Platonischer Lehre gemeinschaftlich haben (...) Denn wir halten sie für die geradesten und am wenigsten arglistigen Menschen und für viel sparsamer und genügsamer als wir sind, obgleich die bei uns herrschende Lebensweise den Übergang zum Schlechteren ausgedehnt hat. Viel von dieser Verderbtheit ist denn auch zu den Barbaren hingedrungen .... als auch zu den Wanderhirten... verdirbt die Sitten und bewirkt statt der eben genannten Geradheit Hinterlist“.
Häuser auf Rädern
Die Wanderhirten lebten mit ihrem beweglichen Hab und Gut, zudem als höchster Reichtum die Pferde gehörten. Sie tranken ihre Milch (und die der Ziegen) und in Notzeiten sogar ihr Blut, aßen ihr Fleisch und den aus der Pferde- und Ziegenmilch gewonnenen Käse. Korn und Gemüse war den nicht seßhaft gewordenen Skythen als Nahrungsmittel fremd. Sie kannten es lediglich als Futtermittel für ihre Tiere. Die skythischen Wanderhirten zogen mit ihren Tieren und lebten von ihnen. Das brachte mit sich, daß sie auf ihren Wanderungen jeweils ein beachtliches Tross an Pferden mit sich führten. Die Aufzucht und der Verschleiß der Tiere zwang sie dazu, meist zehn bis zwanzigmal mehr Pferde als Stammensmitglieder mitzuführen. Dies bedingte eine stetige Suche nach geeignetem Weideland und ggf. auch Zucht- und Winterquartieren.Eine weitere Eigenart der Skythen war offenbar ihre Technik des präzisen Tötens. Sie brachten ausgewählte Tiere nicht mit langwierigen, qualvollen Methoden, sondern mit einem schnellen und gezielten Stoß oder Schlag binnen Sekunden zum Tod. Daß sich diese Praxis auch auf ihre Kriegsführung ausbreitete, darf nicht verwundern. Selektion und Drohung waren ihre Stärke. Überraschung und Direktheit ihre zusätzlichen Waffen. Es ist wahrscheinlich, daß insbesondere die Hunnen, Mongolen und Türken diese Methoden von den Skythen übernahmen.Sie fielen allerseits durch ihre Eigenart der Bekleidung auf. Ihre typische Tracht bestand offenbar aus Beinkleidern, einer hohen und spitzen Mütze, im Kriegsfall einem Lamellenpanzer zum Oberkörperschutz und gelegentlich Metallplaketten als Schutz für die Schienbeine.Die Tradition der Tätowierung am ganzen Körper läßt u.U. auf einen frühen Einfluß oder eine frühe Verbindung, wenn nicht sogar Vermischung mit den keltischen Pikten schießen. Es wird vermutet, daß diese Tätpwierungen oder Bemalungen Bestandteile eines Initiationsritus für Krieger gewesen sind.Heute sind die Skythen mit den Sarmaten sprachlich als indoeuropäisch (indogermanisch) identifiziert und werden als Nomaden oder Krieger den Traditionen in den südrussichen und zentralasiatischen Steppen zugeordnet. Nach ihnen kamen die Hunnen und u.a. die Mongolen, die in ihrem Wesen und besonders ihrer Kriegsführung sehr viel von den Skythen geerbt hatten.
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